Meinungsmache gegen Biker – Eine Spiegel Umfrage in der Betrachtung

Meinungsmache gegen Biker – Eine Spiegel Umfrage in der Betrachtung

Essen – 20.08.2020

Der Spiegel veröffentlichte einen Artikel mit der Behauptung, die Mehrheit der Deutschen wäre für Fahrverbote. Anhand der von der Firma Civey erstellten Umfrage stellt der Spiegel diese Behauptung auf. Wir halten sie keinesfalls repräsentativ.

Civey ist ein Umfrageportal für Online-Umfragen. Die Teilnahme an den Umfragen ist mit einer Anmeldung per E-Mail möglich. Weitere sozioökonomische Faktoren werden nicht berücksichtigt. An den Methoden der Umfragenerherbung wurde bereits von mehreren bekannten Wissenschaftlern Kritik ausgeübt. Rainer Schnell, Professor für Empirische Sozialforschung an der Universität Duisburg-Essen, bezeichnet die Civey-Methodik als „willkürliche Stichprobe“. Die Selbstauswahl sei zudem so gravierend, dass man sie „nicht mehr wegkorrigiert“ bekomme. „Wir wissen seit spätestens 1975, Freiwillige sind in vielen Dimensionen anders als Nicht-Freiwillige“. So fand Jörg Blasius, Professor am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie in Bonn, bei Civey diverse mathematische und inhaltliche Fehler. Seiner Ansicht nach sei die Methode „längst nicht repräsentativ“. Gerd Bosbach, Professor für Statistik an der Hochschule Koblenz, sagte bezogen auf Civey-Umfragen dem Deutschlandfunk: „Leute, die sich dort anmelden, machen einen großen Aufwand. Denen ist es halt wichtig, dass ihre Meinung Einfluss nimmt. Und das ist schon ein ganz kleiner Ausschnitt aus der Bevölkerung. Also insofern ist das schon mal von der Warte her nicht repräsentativ.“ Helmut Jung, ehemaliger Präsident von ESOMAR: „Die Repräsentativität (hängt) angesichts der Internet-Dichte nicht von der Erhebungsmethode per Online, sondern von der Art der Rekrutierung ab. Hier gibt es bis zur völligen Offenlegung der Civey-Methodik mehr als erhebliche Zweifel“. Ulrich Kohler, Professor für Methoden der empirischen Sozialforschung an der Universität Potsdam, schrieb Anfang August 2019 in einem offenen Brief bezogen auf Ergebnisse einer Civey-Umfrage zur Berliner Politik: „Civey-Umfragen sind aus fachlicher Sicht ein Unterhaltungsformat. Das Stichprobendesign von Civey basiert auf einer willkürlichen Auswahl von Befragten. Das angewandte Gewichtungsverfahren ist hoch spekulativ, und das genaue Verfahren der wissenschaftlichen Kritik nicht zugänglich. Die mit der Civey-Methode ermittelten Prozentwerte können nicht beanspruchen, gültige Näherungswerte für „die Berliner“ zu liefern. Sie sind eine Fata Morgana!“ Rüdiger Schmitt-Beck, Professor am Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES) der Universität Mannheim: „Man kann mit Umfragen, bei denen sich die Befragten selbst auswählen, nicht das Meinungsbild der Gesamtbevölkerung abbilden“. Im November 2019 äußerte sich die Akademie für Soziologie öffentlich: „Natürlich sind die Ergebnisse nur (für) die Nutzer der jeweiligen Dienste aussagekräftig – und dies auch nur mit der Einschränkung, dass nur an der Befragung besonders interessierte Personen teilnehmen.“ Damit kann man von den Ergebnissen einleuchtenderweise nicht auf die gesamte Bevölkerung oder Wahlberechtigte schließen.

Kritisiert wird auch, dass die Civey-Umfragen oftmals in einem „nicht-neutralen Umfeld“ positioniert seien, was zur Manipulation der Befragten führen könne. Als Beispiel dafür werden Umfragen genannt, die das Sicherheitsgefühl der Bürger abfragen, eingebettet in einen Artikel über ein Kapitalverbrechen. Ein weiterer Kritikpunkt an Civey ist, dass das Unternehmen versichert, „Umfragen in Echtzeit“ zu produzieren, doch gibt es Beispiele, in denen Civey von den Umfrageinstituten jenes war, welches einen demoskopischen Trend als Letztes erkannte, so etwa beim sogenannten „Schulz-Hype“ 2017 oder bei der Landtagswahl in Bayern 2018. Schließlich sieht sich Civey auch der klassischen Kritik der Scheingenauigkeit ausgesetzt, da die Ergebnis stets mit einer Genauigkeit von 1/10 Prozent angegeben werden, was bei Umfragen anderer bekannter Institute unüblich ist. „Als ob man aufs Komma genau wissen könnte, wozu die Wählerschaft neigt“, schrieb dazu die Süddeutsche Zeitung.

vgl.: https://www.spiegel.de/auto/motorraeder-grosse-mehrheit-will-fahrverbote-fuer-laute-maschinen-a-4902d189-04ed-4598-a5db-3d6cae34bccf